Schmerzen sind sehr individuell und werden sehr persönlich wahrgenommen.
Ob nun der innere Schmerz in der Seele, dem Herzen, oder der Schmerz in unserem Körper: beides kann so stark werden, dass es sich in allen Lebensbereichen stark auswirken kann!
Mindestens einmal pro Tag spreche ich mit jemandem über Schmerz. Meist über körperliche Beschwerden und die damit verbundenen Auswirkungen. Und jedes mal staune ich, wie wenig die Leute selbst über ihren Schmerz und die Behandlungsmöglichkeiten wissen.
Die meisten Gespräche zeichnet sich eine dramatische Unterversorgung der Schmerzsituation ab. Das hat verschiedene Gründe. Viele Patientinnen und Patienten haben schon seit längerem keinen Arzt (Vertrauensarzt, Hausarzt od. Spezialisten) aufgesucht und plagen sich alleine mit ihren Schmerzen. Teilweise versuchen sie mit selbstgekauften Medikamenten den Schmerz wenigstens stundenweise in den Griff zu bekommen. Was aber meist kläglich scheitert. Da der Schmerz meist schon sehr weit fortgeschritten ist.
Man kann dann auch von einer Volks-Schmerz-Chronifizierung sprechen die eine fortgeschrittene Schmerzbehandlung bräuchte…
Suche endlich einen Arzt auf, entweder deinen Vertrauensarzt oder direkt einen auf schmerzen spezialisierten Art, meist sind das Palliativmediziner oder Anästhesisten oder entsprechend weitergebildete Fachpersonen. Scheu dich nicht, endlich Position zu beziehen, deinen Schmerz nun endlich Ausdruck zu vermitteln. Kein Schmerz ist wie der andere. Keine Art von Schmerzen sieht man dir an. Nur du kannst über deinen persönlichen Schmerz berichten!
Mache dir klar, was für dich als Behandlungserfolg gilt: kurzfristig in den nächsten 4-6 Wochen, mittelfristig bis zu einem halben Jahr oder länger und dann langfristig, wie es denn überhaupt mit dir weiter gehen soll! Entdecke dein Potenzial, stell dir endlich wieder einen Weg vor und beschreite ihn dann auch!
Jedem wird eine Schmerzlinderung gelingen, mehr oder weniger. Aber nach jahrelangen Qualen kann schon eine geringe Verringerung eine kleine Welt bewegen! Und manchmal liegt noch viel mehr drin! Es kommt auf deine persönliche Erwartung, auf dein persönliches Ziel darauf an. Besprich deine Erwartung mit deiner Fachperson.
Sei offen und ehrlich, mach dir keine Vorwürfe mehr, überprüfe auch deine moralische Vorstellung und lösche endlich den Satz aus deinem Kopf „Schmerz hat noch niemandem geschadet, das kann man auch aushalten…“
Schmerz macht mehr Schaden als es einem in der ersten Zeit selbst bewusst wird. Er dreht die eigenen Gedanken und richtet sie nur noch auf den täglichen Schatten, das täglich wiederkehrende Gespenst Schmerz.
Erst lange Zeit später bemerkt der Betroffene selbst, meist lange Zeit nachdem sein Umfeld die Veränderung schon festgestellt haben selbst, dass etwas mit ihm nicht stimmt!
All das kann man verhindert oder zumindest behandeln! Niemand soll in unserer Gesellschaft Schmerz leiden müssen. Und doch sind tausende, ja abertausende Menschen chronisch mit adäquaten Schmerzmitteln unterversorgt!
Mein Appell an alle behandelnden Fachpersonen: nehmt bitte Schilderungen über Schmerzen ernst!
Behandelt den Patienten ausreichend!
Und verweigert ihm niemals die international anerkannten, von der Weltgesundheitsorganisation ausgearbeiteten Behandlungsschemata WHO I, II und III.
Ein Patient hat Anrecht auf Nichtopioid- und auf opioidhaltige Schmerzmittel, unabhängig von Geschlecht, Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Rassenzugehörigkeit, finanziellen Verhältnissen und anderen diskriminierenden Gründen! Auch ein Toxicomane oder ein Politoxicomane hat Anrecht auf eine adequate Schmerzbehandlung mit nichtopioiden und auch opioidhaltigen Präparaten! Ein Abusus von Opioid rechtfertigt keine Verweigerung einer schmerzstillenden Behandlung und ein Verlangen nach opioidhaltigen Mitteln stellt in den allermeisten Fällen ein echtes Bedürfnis nach Schmerzlinderung dar!
Selbstverständlich ist eine genaue Abwägung pro und contra jeglicher Substanzklassen durchzuführen, der Patient genauestens aufzuklären und ihn mündig mitentscheiden zu lassen!
Mein Appell an alle Schmerzpatienten: schildert eure Schmerzen so genau wie möglich, versucht so objektiv wie irgend nur machbar euren Schmerz mit diversen Hilfsmitteln darzustellen. Ein solches ist ein so genanter Schmerzschieber, eine Skala von 0 bis 10 worauf der Schmerz quantifiziert werden kann.
Seid offen zu euren behandelnden Fachpersonen, bootet sie nicht gegenseitig aus, klärt jeweils alle beteiligte über parallele Behandlungen auf und vermeidet Doppelspurigkeit. Betreibt kein „Ärzte-Hopping“.
Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass man eine Person findet, die einen ernst nimmt, zu der man Vertrauen hat. Doch meistens kann man mit einer ruhigen, konsistenten Schilderung mit jeder Fachperson ausgezeichnet zusammenarbeiten!
Informiert euch selbständig, reicht der behandelnden Person Vorschläge ein, diskutiert diese und akzeptiert jedoch auch mal ein Nein, wenn eine Abwägung contra einer Methode oder einer Substanzklasse ausfällt. Nicht alles und jedes ist für alle und jeden geeignet!
Und zum Schluss mein Appell an das Umfeld, die Familie, die direkt und die indirekt Betroffenen: Schmerzen sind nicht sichtbar, das ist richtig! Aber deswegen braucht ein Schmerzpatient nicht mehr oder weniger Aufmerksamkeit als ein anderer Mitbürger.
Schmerzen die in irgend einer Form behandelt und dadurch unter Kontrolle sind ermöglichen dem Betroffenen teilweise ein ausgeglichenes, zum Teil sogar beinahe normales Leben. Darum braucht es zwar ein Verständnis für einen von Schmerzen Betroffenen, aber es braucht kein Mitleid.
Stellt so schnell als möglich eine gewissen Normalität her! Wenn die Schmerzen in einem Mass auftreten, das täglich immer etwas gleich ist, braucht es darüber auch keine Gespräche, keine falsche Rücksichtnahme! Schmerzen lösen immer eine Hilflosigkeit aus, und der Betroffene kann diese Leere nicht füllen.
Darum: definiert mit dem Betroffenen eine Strategie!
Und in der Öffentlichkeit wäre es stark wünschenswert, wenn die in den Köpfen verankerte Meinung von opioidhaltigen Mitteln endlich überarbeitet, korrigiert wird!
Ein Patient mit einer stabilen Einstellung von opioidhaltigen Mitteln hat weder ein anderes Gefühl, noch sieht er irgendwie anders noch fühlt sich sein Körper anders an. Nur einfach die Schmerzen sind reduziert oder sogar ganz weg.
Jeder, der stabil eingestellt ist, hat keinerlei psychische Wirkung die ihn in irgend einer Art und Weise verändern würde!
In dem Fall wünsche ich allen Betroffen alles Gute, viel Kraft und auch eine gesunde Portion Mut!
Dein Baltazar